von Björn Müller (Facebook / Twitter). Er ist Journalist in Berlin mit dem Schwerpunkt Sicherheits- und Geopolitik.

Marines assigned to India Company, 3rd Battalion, 9th Marine Regiment board an MV-22 Osprey aboard the amphibious transport dock ship USS New York (LPD 21). (Photo: Mass Communication Specialist 1st Class Corey Lewis).
Es ist fast schon ein Naturgesetz der NATO: ohne die Amerikaner geht nichts. Aber eben nur fast; denn jetzt ist es mal umgekehrt. Das U.S. Marine Corps (USMC) sucht mit der “Allied Maritime Basing Initiative” die Hilfe der Europäer, um seinen neuen Einsatzplan für den Großraum Europa / Afrika umzusetzen.
Der Plan sieht vor, die Marines vor allem in Afrika sehr schnell zum Einsatz zu bringen. So wollen die Amerikaner bei Krisen am unteren Spektrum, wie Piratenangriffe oder bedrohte Botschaften, besser handeln können. Auslöser dafür war die Ermorderung des US-Botschafters für Libyen, J. Christopher Stevens 2012, bei einer Blitzattacke islamistischer Milizen in Bengasi (Ben Watson, “After Benghazi, Specialized Crisis Response Teams Are Now the ‘New Normal’“, Defense One, 20.05.2014; Robert Beckhusen, “The U.S. Doesn’t Have Enough Marines to Defend Its Embassies“, offiziere.ch, 14.10.2014).
Idealerweise hätten die Marines gerne ein Netz aus kleineren Eingreiftrupps, verteilt auf amphibischen Schiffeinheiten im Mittelmeer, also eine Art ständige Off-shore Präsenz zum schnellen Zuschlagen bei Bedarf. Doch Landungs- und Transportschiffe fehlen den Marines in ausreichender Zahl. Momentan haben sie, je nach Quelle und Zählweise rund 30 amphibische Einsatzschiffe zur Verfügung, bräuchten aber 38, um das Einsatzkonzept voll umzusetzen. Die aktuell verfügbaren amphibischen Kampfschiffe sind in den “Amphibious Ready Groups” gebunden. Perspektivisch wird der Mangel bestehen bleiben, denn auf Grund von Budgetkürzungen im US-Verteidigungshaushalt wurde der Bau solcher Landungsschiffe zurückgestellt. Die Marines rechnen nicht mit dem Zulauf weitere Schiffeinheiten dieses Typs vor Ende der 2020er Jahre. Nun sollen die Europäer helfen.

Certification campaign for a USMC Boeing V-22 “Osprey” on the “Dixmude” LHD off Djibouti. “Dixmude” is the the third ship of the French Mistral-class amphibious assault ships (Photo: P. Dagois / French Navy).
In offiziellen Statements zur Basing-Initiative ist oft von sinnvoller Vertiefung der militärischen Interoperabilität, Bündnis-Solidarität und Abschreckungseffekten die Rede; die bisher erschienenen Medienberichte zum Thema zeichnen ein anderes Bild. Für die Marines ist das Basing bei den Europäern eher eine verhasste Krücke, die man wohl oder übel gerade akzeptieren muss, aber schnellstmöglich wieder loswerden möchte. Ein Indiz dafür ist, dass die Amerikaner keine multilaterale Lösung für das Basing anstreben, sondern auf “á la Carte”-Lösungen setzen wollen, mittels bilateraler Verträge.
Wie die Europäer vom Basing profitieren würden, ist nicht ganz klar – vielleicht durch großzügige Subsidien der Amerikaner. Bekanntlich gilt, “Träger frisst Flotte“; der Unterhalt von Trägerkapazitäten ist extrem kostspielig. Generell stellt sich die zudem Frage, wie das Basing rechtlich zu organisieren wäre. Ein Freifahrschein für Einsätze der US-Marines von europäischen Schiffen, bedeutet für Regierungen, die sich darauf einlassen, drohender Ärger an der Heimatfront. Auf der anderen Seite ist es kaum vorstellbar, dass sich die US-Regierung auf Veto-Regelungen einlässt, wenn es darum geht, US-Interessen militärisch durchzusetzen..
Weitere Informationen
- Die US-Streitkräfte (Army, Navy, Air Force) organisieren ihre Truppen für Europa und Afrika in zwei separaten Oberkommandos (EUCOM und AFRICOM) –- nicht so die Marines. Als eigenständige Teilstreitkraft haben sie ein überlappendes Kommando aufgestellt, das Command of Marine Forces in Europe & Africa. Dessen Hauptquartier befindet sich in Stuttgart und wird zurzeit durch den Zwei-Sterne-General Niel Nelson kommandiert. Speziell für den neuen Einsatzplan stellte dieses Marines-Kommando 2013 einen Eingreifverband auf. Dieser hat, mit inzwischen 3,000 Mann, fast Brigadestärke. Verteilt sind dessen Einheiten auf Stützpunkte in Spanien, Italien und Rumänien. Hauptort ist der spanische Militärflughafen Morón.
- Der Autor, Björn Müller, hat im Zuge seiner Recherchen dem U.S. Marine Corps die Frage gestellt, welche Staaten bzw. Einheiten beim Testlauf des “Allied Maritime Basing” während “Trident Juncture” involviert seien und ob die Deutsche Bundeswehr (wie mit welchen Einheiten und Schiffen) ebenfalls daran beteiligt sei. Die Antwort darauf lautet wie folgt:
During Trident Juncture, Spanish Marines and U.S. Marines with the Special Purpose Marine Air Ground Task Force-Crisis Response-Africa based in Moron, Spain will conduct exercises showcasing the Allied Maritime Basing Initiative from aboard the Spanish ship Juan Carlos I. The Spanish and American Marines will depart the Juan Carlos on MV-22 Ospreys to a site in Portugal to simulate an aerial assault. Unfortunately, the Bundeswehr is not part of the Allied Maritime Basing Initiative. — Richard K. Ulsh, Captain, USMC.
- The Marine Corps is experimenting with the interoperability of its Marine Air Ground Task Forces with various non-traditional platforms, including rarely-used 1980s logistics ships and foreign navies’ amphibious ships, to help get its land-based units back out to sea. –> Megan Eckstein, “Marines Testing Operating from Foreign Ships, Near-Forgotten Platforms to Bring Units Back to Sea“, U.S. Naval Institute News, 23.06.2015.
- Weitere thematisch verwandte Artikel auf offiziere.ch: Brett Friedman, “Personal Theories of Power: Amphibious Power“, 12.08.2015; Joseph Trevithick, “US Marines Go to Italy as Libya Edges Toward a New Civil War“, 04.06.2014.